Narrenbrunnen

Ein Denkmal für die Narrenhochburg


Die Eberhardzeller Ortsmitte ziert der Narrenbrunnen schon seit eineinhalb Jahren. Am Sonntag, 22. Mai, ist das von Künstler Horst Reichle geschaffene Werk feierlich eingeweiht worden. Rund 350 Gäste waren der Einladung gefolgt und verliehen dem Festakt einen würdigen Rahmen.


Für einen Findling, der vor rund 150.000 Jahren vom Rißeiszeit-Gletscher als Moränenschutt in die Gemeinde Eberhardzell gebracht wurde, sind ein paar Jahrzehnte nur ein kurzer Augenblick. Fürs menschliche Empfinden aber doch deutlich mehr. Und so hat es in der Tat eine Weile gedauert, bis der Eberhardzeller Narrenbrunnen konkrete Formen annahm. Hatte der frühere Zunftmeister Polde Maucher senior doch bereits in den 1960er-Jahren den auf dem Venishof bei Oberessendorf lebenden Künstler Horst Reichle von seiner Idee eines solchen Brunnens zu begeistern versucht.


Doch es sollte bis zum Jahr 2015 dauern, ehe Reichle seine Zusage gab – dieses Mal Polde Maucher junior. Der Ehrenzunftmeister wurde von Bürgermeister Guntram Grabherr bei der Einweihung als „einmaliges Original“ bezeichnet, das über ein gutes Netzwerk in Politik und Wirtschaft verfüge. Gemeinsam mit den bildhauerischen Fähigkeiten Reichles habe dies dazu geführt, dass Eberhardzell mit dem Narrenbrunnen nun ein Alleinstellungsmerkmal habe.


„Alle Beteiligten können stolz auf dieses Werk sein“, sagte Grabherr. Der Narrenbrunnen als gelungene Symbiose von Brauchtum und Kunst ergebe gemeinsam mit der Geschichte des sanierten ehemaligen Gasthauses Post ein „harmonisches Gesamtbild“.


Landrat Dr. Heiko Schmid blickte in seinem Grußwort auf den Mai 2017 zurück, als er einen offiziellen Gemeindebesuch in Eberhardzell machte. Ein Programmpunkt sei der Besuch von Horst Reichle gewesen, der damals gerade den Narrenbrunnen gestaltete. „Eine ganz tolle Idee und ein faszinierendes Projekt von einem ebenso beeindruckenden Künstler“, so Schmid. Von Polde Maucher – kennen- und schätzen gelernt haben sich die beiden bei den Besuchen der Narren am Rußigen Freitag im Landratsamt – hatte er zuvor bereits immer wieder den Wunsch gehört, wie schön doch ein Narrenbrunnen für die Zunft und die Gemeinde wäre.

Der Landrat verwies darauf, dass der Brunnen im Landkreis „fast einzigartig“ sei. Schließlich gebe es nur noch in Riedlingen einen Narrenbrunnen in dieser Art. Schmid wünschte sich, dass die Fasnet im Landkreis „zu der Blüte zurückkommt, wie sie vor Corona war. Daran müssen wir alle arbeiten.“ Dazu brauche es Orte, an denen man sich treffen und austauschen könne. „So ein Ort soll auch der Postplatz mit dem neuen Narrenbrunnen in Eberhardzell sein.“


Auch Horst Reichle merkte an, dass Eberhardzell stolz auf sich und seine neugestaltete Ortsmitte sein könne. Mit seiner Arbeit sei er eigentlich ganz zufrieden. Das Gestalten der fünf nahezu lebensgroßen Figuren habe richtig Spaß gemacht. „Sie waren oft schwierig, sie haben nie mit mir gesprochen – allerdings auch nie widersprochen und inzwischen sind sie erfreulich gediehen.“


Polde Maucher unterstrich, dass der „schönste Narrenbrunnen der Welt“ nicht nur ein Denkmal der Narrenhochburg Narrenzell sei, sondern auch ein Stück Eberhardzeller Geschichte. „Ich stehe hier voller Dankbarkeit“, bekannte der Ehrenzunftmeister und äußerte sogleich einen Wunsch. Nämlich diesen, den Narrenbrunnen „als Herzstück unserer Gemeinde in unseren Jahresablauf aufzunehmen und den Platz mit Leben zu füllen“.


Die feierliche Segnung vollzog Diakon Wolfang Mast. Auch in den Fürbitten kam zum Ausdruck, dass der Narrenbrunnen für gesellige Stunden Treffpunkt für Jung und Alt sein soll.


Als letztes trat Markus Scheffold ans Mikrofon. Für den Zunftmeister war es ein Tag, um Danke zu sagen: Horst Reichle und seiner Frau Brigitte, Polde Maucher für seinen unermüdlichen Einsatz, allen Unterstützern und Sponsoren, dem Fanfarenzug Graf Humbrecht für die musikalische Gestaltung der Einweihung und natürlich der Gemeinde. Scheffold schloss mit den Worten: „Nun liegt es an der Narrenzunft und der Gesamtgemeinde, den Brunnen in den Jahresablauf zu integrieren.“

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Ein Narrenbrunnen
für Eberhardzell

Die Wurzeln eines Brunnens für die Narrenzunft liegen schon viele Jahre zurück. Zunftmeister Sepp Maucher besuchte den Eberhardzeller Künstler Horst Reichle bereits in den sechziger Jahren. Damals schilderte er voller Euphorie die Idee, einen Narrenbrunnen für Eberhardzell zu erschaffen. Der auf dem Venishof bei Oberessendorf lebende Künstler winkte ab. Viele internationale Projekte hatte er im Kopf und zugegebenermaßen wenig Begeisterung für die Fasnet. Es vergingen viele Jahre, in denen mittlerweile der Sohn von Zunftmeister Maucher, Polde Junior, Reichle besuchte.
„Isch halt en Künschdler, do brausch manchmol a bissle me Zeit“, fasst es Polde Maucher einmal kurz zusammen. Die Besuche zeigten aber Wirkung. 2015 sagte Reichle endlich ja – er wolle einen Narrenbrunnen für die Narrenzunft Eberhardzell erschaffen.

Man könnte vermuten, Horst Reichle hat sich in den vergangenen Jahrzehnten schon mit diesem Werk beschäftigt. In kürzester Zeit wurden Gedanken aufs Papier gebracht und Modelle entstanden. Meterweise Skizzen schmückten das Atelier des Künstlers. Vor- und Nachteile verschiedenster Materialien und Formen wurden besprochen. Zunächst sollte der Narrenbrunnen aus Bronze gegossen werden. Aus Kostengründen wurden diese Gedanken jedoch verworfen und der Blick fiel auf den im Garten liegenden Stein.

Über 150.000 Jahre alt, geschätzte 10 Tonnen schwer, 2,3 Meter hoch und ebenso breit. Der Findling, welcher aus der Endmoräne der Rißeiszeit stammt, weilt seit 1996 in Reichles Garten. Der ehemalige Geschäftsführer des Betonwerks Oberessendorf, Josef Kessler, stellte den Stein dem Künstler zur Verfügung. Daraus nun einen Narrenstein zu schaffen - keine leichte Aufgabe.

Anders als beispielsweise Marmor, ist der Findling kein weiches Material. Man sollte meinen, schweres Gerät komme zum Einsatz. Tatsächlich wurden Maschinen aber nur sehr sparsam und für sehr grobe Arbeiten verwendet. Alle weiteren Arbeitsschritte waren Handarbeit. Mit Hammer und Meißel arbeitete Reichle die Narrenfiguren aus dem Stein heraus. Einige Werkzeuge blieben dabei laut dem Künstler auf der Strecke, der Fels hat seinen eigenen Charakter.
Sehr schnell war klar, welche Motive den Stein schmücken sollen – die Zeller Narrenfiguren. Die Neideck-Hex, die Zeller Katz, ein Ampfelbronner Holzwurm sowie ein Hansel. Natürlich sollte auch die Einzelfigur, der Lällakönig, in Stein gemeißelt werden. Reichle betrachtete den Findling sehr lange, nach und nach legte er fest, welche Figur wo seinen Platz finden sollte. Dann begannen die Arbeiten.

Mittlerweile ist der Stein fertig, sind alle Figuren verewigt. Gut zwei Tonnen Material hat der Künstler ausgearbeitet. Fröhlich tanzen die Narren um den Stein, welcher nun wartet, einen würdigen Platz in Eberhardzell zu finden.

Reichle ist für die Narrenzunft kein Unbekannter. Bereits 1961 entwarf er die Maske der Neideck-Hex. Auf der Speisekarte in einem Eberhardzeller Wirtshaus skizziert, entstand die Grundlage für die erste Maske der Hexen-Gilde. Heute gibt es über 900 Hexenmasken. Wenngleich von unterschiedlichen Holzbildhauern geschaffen, zeigen doch alle die damals geschaffenen Grundzüge auf. In den folgenden Jahren engagierte sich Reichle immer wieder für die Zeller Narren. So schuf er verschiedene Dekorationen für die Bunten Abende oder Entwürfe für Sonderehrungen.
Der Künstler Reichle wurde 1938 in Biberach geboren. Er lebt und arbeitet abwechselnd auf dem Venishof bei Oberessendorf sowie in München. Nach seinem Graphikstudium in München, genoss er Weiterbildungen in den Bereich Bühnenbild, Lithographie und Radierung in Salzburg. Der seit 1962 freischaffende Künstler ist unter anderem Initiator der Kürnbacher Malertage, der Internationalen Maler- und Bildhauersymphosien in Ochsenhausen sowie des Ehinger Kunstforums.

Unser Narrenbrunnen hat seinen Platz gefunden.

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